Bericht 13: Aden - Sana'a 8.12.07 - 9.01.08; Kilometer: 7367 - 8050;

„Welcome! Hello, how are you?“ „Tamam!“ Where are you from?“ „Ana Almani!“ „Ahh, Germany! Germany number one!“ So, oder so ähnlich, verläuft eine normale Begrüßung im Jemen. Wir Deutschen habe einen sehr guten Stand bei den Jemeniten. Nicht wegen des Fußballs, über den sie nur mäßig Bescheid wissen, nein vor allem wegen der Entwicklungshilfe, die Deutschland schon seit vielen Jahrzehnten in diesem Land leistet. Immer wieder werde ich darauf angesprochen, dass das Frisch- und Abwassersystem in dem Ort aus Deutschland stammt, die Straße von Deutschen finanziert wurde oder die Schule mit deutschen Geldern gebaut wurde. Es ist schön zu sehen, dass deswegen eine große Sympathie zu Deutschland entstanden ist und dies nicht auf die Aktivitäten in den Weltkriegen zurückzuführen ist, wie es in anderen Ländern manchmal der Fall ist.

Vom Sudan aus hatte ich einen Flieger in die Hafenstadt Aden, im Südjemen, genommen. In zwei Wochen wollte ich „gemütlich“ bis nach Sana’a radeln, denn dort erwartete mich der Besuch von meiner Freundin Astrid über Weihnachten und Silvester.

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Es war schön zu wissen, dass ich mir Zeit lassen konnte für die 640 Kilometer lange Strecke und so machte ich auch den einen oder anderen Abstecher und blieb an Orten, die mir gefielen einfach einen Tag länger.

In Aden hatte ich neben „sightseeing“ auch noch administrative Dinge zu tun. Für die geplante Strecke brauchte ich ein Permit von der Touristenpolizei und im deutschen Konsulat holte ich mir Informationen zur Sicherheitslage im Land ein. Ich war richtig verwundert, wie schnell ich das Permit in den Händen hielt. Ich musste nur in ein Büro, wo mich ein freundlicher Mann begrüßte. Ich erzählte ihm mein Anliegen und wenige Minuten später hielt ich ein entsprechendes Papier in meinen Händen. Ich musste nicht einmal etwas dafür zu bezahlen.

Die ersten 50 Kilometer von Aden nach Norden sind nicht gerade spektakulär. Aber dennoch passierte etwas Unerwartetes. Damit hätte ich vielleicht in Deutschland gerechnet, aber nicht im Jemen. In einer Stadt will mich ein Autofahrer zum anhalten bewegen. Dies passiert hier sehr oft und so grüße ich nur freundlich und fahre weiter. Es ist unmöglich bei jedem anzuhalten, der einen dazu ermutigen will. Als ich aus der Stadt fast draußen bin überholt mich der Autofahrer laut hupend und reicht mir eine eiskalte Dose Heineken Bier, mit Alkohol, aus dem Fenster. Ich bin etwas ratlos, dachte ich doch Alkohol wäre in der Öffentlichkeit verboten. Schnell verstecke ich die Dose in meiner Hosentasche und als ich mich bedanken will, ist das Auto auch schon vorbei. Ich fahre noch aus der Stadt raus und überlege, wann ich es trinken soll. Die Entscheidung fällt mir leicht. Kälter und besser wird das Bier nicht, also fahre ich an den Straßenrand und genieße an Ort und Stelle den Gerstensaft.

Die Begeisterung und Bewunderung der Menschen für mich als Fahrradfahrer ist riesig. Sobald ich an einem kleinen Shop oder Restaurant halte, werde ich von vielen Kindern und Erwachsenen umringt und mit Fragen durchlöchert. Leider meist nur auf arabisch und so fällt es mir schwer, allen eine richtige Antwort zu geben. Nach fast drei Monaten in arabischen Ländern verstehe ich zwar einzelne Wörter und Sätze, aber von einem Gespräch bin ich noch sehr weit entfernt.

 

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Der Jemen ist ein sehr bergiges Land. Viele Berge sind über 3000 Meter hoch und Sana’a liegt im Landesinneren auf einer über 2000 Meter hohen Hochebene. So fahre ich von Meer aus bis nach Sana’a beständig bergauf und muss dabei den einen oder anderen steilen Pass erklimmen. In Taiz beschließe ich zudem noch an meinem „Ruhetag“ auf den Djebel Sabir mit seinen 3006 Metern hoch zu radeln. Bereits zu Beginn in der Stadt ist die Straße teilweise äußerst steil und ich hoffe, dass es bestimmt flacher wird, wenn ich die Häuser verlassen werde. Dies war leider nicht der Fall. Mit durchschnittlichen 9 Prozent schlängelt sich die Straße über 20 Kilometer bis zum Gipfel. Die faszinierenden Ausblicke auf die Ackerbauterrassen und auf die tief im Tal liegende Großstadt Taiz entschädigen aber für die Mühen. Nach drei Stunden habe ich die am Gipfel liegende Militärbasis erreicht und werde von den freundlichen, dort stationierten Soldaten zu einem Festessen eingeladen. (Siehe Film Djebel Sabir)

Am nächsten Tag fahre ich wieder mit Gepäck weiter in den kleinen idyllischen Ort Djibbla. Dieser Ort hat eine faszinierende Ausstrahlung. Am Morgen auf dem kleinen Markt in der Altstadt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier wird in den kleinen, engen Gassen um Schafe und Ziegen gefeilscht, in kleinen Geschäften Gemüse verkauft oder die Hühner fürs Mittagessen an Ort und Stelle geschlachtet und zubereitet. Am Nachmittag wird in den Gassen nur noch Qat gehandelt und gekaut. Qat ist der Whisky des Jemens. Von der Pflanze kaut man die Blätter und stopft diese danach in seine Backe. Das kauen soll entspannen und einen wach halten. Fast 80 Prozent der Jemeniten sind der Droge verfallen und kauen fast täglich ab dem frühen Nachmittag die Blätter. Der Qat ist ein großes Laster für das Land, so gehen nach verschiedenen Studien der Volkswirtschaft an die 14 Millionen Arbeitstunden pro Tag verloren. Denn nicht nur der Nachmittag, während des Kauens geht verloren, nein auch der Morgen, da der Jemenite auf Grund der aufpuschenden Wirkung erst sehr spät einschlafen kann und somit morgens auch nicht früh aus dem Bett kommt. Darüber hinaus werden von dem in den Wintermonaten sehr rarem Wasser auch über 50 Prozent für die Qatanpflanzungen verwendet und über 20 Prozent seines Einkommens gibt der Jemenite durchschnittlich für seine Droge aus. In den Wintermonaten kann eine Ration schon mal, je nach Qualität, bis zu 6 Euro kosten. Das wohl Einzige, was für den Qat spricht ist, dass dadurch immer noch viele Menschen im ländlichen Raum gehalten werden, da der Qat eine gut Einnahmequelle ist.

 

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Ab dem Nachmittag braucht man von Qat kauenden Männern nicht mehr all zu viel erwarten. Jede zusätzliche Arbeit wird als Last angesehen und verstehen kann man die Männer mit der dicken Backe fast gar nicht mehr. Es ist auch wirklich schwierig, mit einem tennisballgroßem Blattgemisch in der Backe verständliche Worte herauszubringen.

Ich selber habe Qat auf einer Hochzeit in der Nähe von Yarim ausprobiert. Als ich an einem großem Zelt vorbei fuhr, wurde ich von einigen Männern freundlich zum Essen und einer Hochzeit eingeladen. Hochzeiten im Jemen unterscheiden sich von Hochzeiten in Deutschland darin, dass die Männer zusammen an einem Ort feiern und an einem anderen Ort die Frauen feiern. Erst wurde gegessen und danach Bündel mit Qat und Wasserflaschen im Zelt verteilt. So saß ich in einer Ecke, stopfte mir den Mund mit Grünzeug voll, rauchte und trank Wasser. Immer wieder musste ich meinen Platz wechseln und mich zu anderen Gästen gesellen, die ein paar Worte mit mir wechseln wollten. Die Zigaretten hatten ihre Wirkung, doch vom Qat spürte ich nichts, außer dass ich eine dicke Backe bekam. Es war eine sehr nette Atmosphäre, die immer wieder von Maschinengewehrsalven unterbrochen wurde. Fast jeder Neuankömmling schoss mit seinem Gewehr in die Luft, bevor er das Zelt betrat. Gegen 17 Uhr zählte ich 40 Männer, 40 Djambia Krummdolche, 20 Maschinengewehre und ca. 10 Luftgewehre. Mit Anbruch der Dunkelheit schaute auch die Polizei vorbei und prüfte meine Unterlagen. Irgendetwas schien nicht zu stimmen und so wurde die Menge um die Polizisten immer größer und schließlich sagten sie mir, dass ich ihnen in die nächste Stadt folgen und die Hochzeit verlassen müsste. Der Grund: hier könnten sie nicht für meine Sicherheit garantieren. Alles Diskutieren half nichts und um die Menge nicht weiter in Aufruhr zu bringen fügte ich mich meinem Schicksal. Man muss schließlich auch bedenken, dass fast alle Männer schwer bewaffnet waren. Für mich war es sehr schade, denn die Musik und der Tanz hätte ein wenig später begonnen.

Am nächsten Tag fuhr ich die restlichen Kilometer bis nach Sana’a und wartete dort auf die Ankunft von Astrid um mit ihr zusammen die Weihnachtsfeiertage und Silvester zu verbringen.

 


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